…das verschiebe schlicht auf morgen. So ähnlich lautet das Sprichwort doch, oder? Du solltest Vokabeln lernen oder die Einleitung für die Hausarbeit schreiben, stattdessen siehst du auf Netflix aber gerade die nächste Folge der neuesten Serie an. Und das, obwohl du weißt, dass du eigentlich Wichtigeres zu tun hättest. Was du da machst, nennt sich Prokrastination. Warum viele Menschen prokrastinieren, welche Arten der Prokrastination es gibt und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier.

Warum fängst du nicht einfach an?! – Gründe für das Prokrastinieren

Zu erklären, wie Prokrastination entsteht, ist gar nicht so einfach. Für das Prokrastinieren kann es nämlich unterschiedliche Gründe geben. Und diese zu kennen, ist wichtig dafür, das Problem der Prokrastination zu lösen. Wenn du also mit Prokrastination zu kämpfen hast, passt du jetzt am besten genau auf.

Obwohl als Ursachen fürs Prokrastinieren viele Faktoren in Frage kommen, findet sich bei den Betroffenen meist eine grundlegende Angst, bei der zu erledigenden Aufgabe zu versagen. Deshalb vermeiden sie diese einfach. Gerade im Studienalltag spielen aber auch falsche Prioritätensetzung, unrealistische Ziele oder eine schlechte Zeiteinteilung eine Rolle.

Sowohl Versagensangst als auch suboptimales Zeitmanagement verleiten dann dazu, kleinere und einfachere Aufgaben zu erledigen. Diese alternativen Aufgaben können das Ansehen von YouTube-Videos, das Aufräumen der Wohnung oder das Spielen von Games auf dem Smartphone umfassen. Jede Beschäftigung, die von den negativen Gefühlen, die mit der eigentlichen Aufgabe verbunden sind, ablenkt, ist willkommen.

Und eigentlich ist das Ganze auch nicht besonders problematisch. Schließlich gibt es einfach Dinge, die keiner von uns gerne tut. Unangenehme Aufgaben zu verschieben ist an sich also kein Problem. Es kann allerdings dazu werden, wenn die psychische Gesundheit und damit das Leben des Betroffenen nachhaltig negativ beeinflusst wird.

Jacke wie Hose? – Verschiedene Arten der klinischen Prokrastination

Prokrastination ist natürlich nicht gleich Prokrastination. So gibt es laut Psychotherapeut Stefan Förster von der Universität Münster mindestens vier unterschiedliche Formen, in denen Prokrastination auftreten kann. Bei allen handelt es sich nach Förster um ernstzunehmende Arbeitsstörungen, die du auf keinen Fall mit dem alltäglichen Aufschieben unangenehmer Aufgaben gleichsetzen darfst. Solltest du dich aber in einer der folgenden Beschreibungen für Prokrastination wiederentdecken, ist es sicher sinnvoll, sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine erste Anlaufstelle kann die psychotherapeutische Beratungsstelle an deiner Universität sein.

●       Akademische Prokrastination

Wenn du Student bist, ist dir diese Form der Prokrastination sicher nicht fremd. In der Regel leiden Menschen darunter, die für ihre Aufgaben einen vergleichsweise langen Erledigungszeitraum haben. An der Uni folgen die wichtigen Prüfungen meist erst am Ende eines Semesters, Hausarbeiten und Lernen für die Klausuren können deshalb bequem für Monate aufgeschoben werden. Im schlimmsten Fall können durch extreme Prokrastination Hausarbeiten nicht fertiggestellt werden und Freiversuche gehen drauf. Für Betroffene bieten Universitäten oft zahlreiche Anlaufstellen wie etwa Prokrastinationsambulanzen, Arbeitsgruppen sowie technische und organisatorische Hilfsmittel.

●       Administrative Prokrastination

Betroffene dieser Form von Prokrastination schieben vor allem behördlichen Erledigungen wie die Abgabe der Steuererklärung auf. Die Erledigung solcher Aufgaben rufen nämlich einen teilweise starken Widerstand hervor. Helfen können Verhaltens-Coachings und Mentaltechniken, um das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.

●      Funktionale Prokrastination

Bei dieser Art des Aufschiebens wird zuerst abgewartet in der Hoffnung auf eine Verbesserung der eigenen Verhandlungsposition. Aus taktischer Sicht ist Abwarten und Aufschieben aber einfach nicht immer sinnvoll. Zudem kann das vermeintlich strategische Vorgehen auch eine Ausrede für tieferliegende negative Gefühle sein.

●      Pathologische Prokrastination

Wer unter pathologischer Prokrastination leidet, möchte sich durch sein Handeln einer bewussten Kontrolle und Steuerung zu entziehen. Und dieses Bedürfnis manifestiert sich dann in Zwang. Die folgen reichen von Schlafstörungen, depressiven Belastungen und Aufmerksamkeitsdefiziten. Diese Art der Prokrastination erfordert auf jeden Fall professionelle Hilfe.

Prokrastinationstypen – Wer bin ich und wenn ja, wie viele?

Klinisch ist das Prokrastinieren bei dir noch nicht, aber trotzdem nervt es dich? Du würdest gerne etwas gegen das ständige Aufschieben tun? In einem solchen Fall wäre es wichtig, dass du weißt, welcher Prokrastinationstyp du bist. Neben der Typologie findest du hier auch Tipps für schnelle Hilfe.

1.     Das Paniktierchen

Am Anfang bist du noch ganz entspannt. Immerhin muss die Hausarbeit erst in sechs Monaten fertig sein und die Abgabe der Forschungsmappe liegt ebenfalls in ferner Zukunft. Es gibt also keine triftigen Gründe, jetzt schon mit der Arbeit zu beginnen. Da widmest du dich angenehmeren Dingen. Kurz vor der Deadline fällt dir dann ein, dass da ja noch eine Aufgabe offen ist. Eine ziemlich wichtige. Spätestens jetzt bekommst du Panik. Du hättest schließlich schon vor Ewigkeiten anfangen müssen. Statt effektiv und konstant zu arbeiten, musst du trotz dieser Panik deine anstehenden Aufgaben erledigen. Und das klappt meistens nicht ganz so gut.

Die Wurzel allen Übels ist das schlechte Zeitmanagement. Das Paniktierchen verschätzt sich bei der Einschätzung des Arbeitsaufwandes, weshalb es sich einredet, dass noch ausreichend Zeit ist.

Was kannst du tun, wenn du zu den Paniktierchen gehörst? Mit Sätzen wie “Ich müsste” oder “Ich sollte aber” wirst du dich kaum motivieren können. Der Trick besteht darin, deine Prioritäten richtig zu setzen. Mache dir bewusst, dass du die Wahl zwischen ein wenig Aufwand über einen längeren Zeitraum mit wenig Stress oder aber massenhaft Arbeit in einer kurzen Zeit mit Panik hast. Triff Entscheidungen darüber, was du wann erledigst beziehungsweise erledigt haben musst. Dabei helfen kann eine sogenannte Eisenhower-Matrix. Was das ist und wie du sie optimal verwendest, zeigt dieses Video: Die Eisenhower-Matrix

2.     Die wandelnde To-do-Liste

To-do-Listen sind für dich deine halbe (vielleicht auch ganze) Welt. Du musst etwas erledigen? Natürlich, aber vorher muss auf jeden Fall eine Liste erstellt werden. Ohne Liste funktioniert es nämlich nicht.
Im Listenschreiben bist du ein echter Profi. Alle Aufgaben, die irgendwie wichtig sind, sei es für Uni oder Job, schreibst du auf. Das Problem: Du hast am Ende zwar eine wunderschöne und umfassende Liste in der Hand, geschafft hast du aber trotzdem fast nichts. Trotz einer schönen Liste verzettelst du dich und zwar wortwörtlich. Kleinigkeiten werden erledigt, wirklich wichtige Aufgaben hingegen nicht. Und Items auf einer Liste abzuhaken mag befriedigend sein, wenn dabei die unangenehmen, aber eigentlich dringenden Aufgaben vernachlässigt werden, verliert die Liste ihren Nutzen.
Wenn du dich in dieser Beschreibung wiedererkennst, solltest du folgenden Rat beherzigen: Beginne mit der unangenehmsten Aufgabe, denn in der Regel ist das genau die, die du am ehesten aufschiebst. Und wenn du diese Aufgabe dann hinter dir hast, kannst du den Rest deiner Liste abarbeiten. Grundsätzlich sind solche Listen nämlich absolut sinnvoll, wenn sie richtig eingesetzt werden.

3.     Der Organizer

Unordnung stört dich eigentlich nicht. Egal, ob Unterlagenchaos oder Geschirrstapel auf dem Schreibtisch – du hast kein Problem mit einem eher unordentlichen Arbeitsumfeld. Chaos ist okay, du fühlst dich sogar wohl.
Das ändert sich spätestens ab dem Moment, in dem eine wichtige Aufgabe ansteht. Dabei kann es sich um eine Klausur, eine Hausarbeit oder eine Präsentation handeln. Unabhängig von der Aufgabe reagiert dieser Typ immer gleich: Das Organisieren und Säubern des Arbeitsplatzes, nein, am besten der ganzen Wohnung, wird zur obersten Priorität. Alles muss ordentlich sein, bevor gearbeitet werden kann.
Du erkennst dein eigenes Verhalten in dieser Beschreibung? Keine Sorge, die Lösung für den Organizer ist recht unkompliziert. Das Problem liegt wahrscheinlich darin, dass du dich angesichts der wichtigen Aufgaben überfordert und machtlos fühlst und deshalb nach Ersatztätigkeiten suchst, die du mit Sicherheit bewältigen kannst. Dein Weg aus der Prokrastination besteht darin, deine großen Aufgaben in kleinere und damit weniger einschüchternde Teilaufgaben zu zerlegen. Kleinere Schritte fallen nämlich leichter als große Sprünge.

4.     Der Online-Enthusiast

Du bist immer up to date. Egal, ob Facebook, Twitter oder Instagram: alle fünf Minuten findet man dich in den sozialen Netzwerken. Nebenbei schaust du dir noch die neusten Serientrailer auf Netflix oder die süßesten Katzenvideos auf YouTube an. Kurz gesagt: Du bist 90 Prozent deiner Zeit online. Und eigentlich ist das nicht schlimm, immerhin spielt sich ein großer Teil unserer Kommunikation mittlerweile im Netz ab. Das gilt auch für das Studium oder die Arbeit. Steht jedoch eine wichtige Aufgabe an, kann das Internet zu einem Problem werden. Denn wenn du dich neben dem Lernen noch mit den neuesten Statusmeldungen oder Tweets beschäftigst, verschwendest du wertvolle Zeit.
Das Problem: Das Internet bietet unendlich viele Möglichkeiten, sich von unliebsamen Aufgaben abzulenken und seine Zeit angenehmer zu verbringen.  Wenn du zu diesem Prokrastinationstyp gehörst, solltest du dir deshalb eine Internetpause auferlegen und auch einhalten. Gehe für drei oder vier Stunden einfach mal offline. Benötigst du das Internet für die Erledigung deiner Aufgabe, solltest du zumindest Social Media komplett meiden. Apps können dabei helfen, dich nur auf das Schreiben deiner Hausarbeit zu konzentrieren. Cold Turkey Writer ist ein solches Programm. Es zwingt dich praktisch zu schreiben, indem es alle anderen Funktionen deines Computers blockiert, bis du eine bestimmte Anzahl von Wörtern oder aber eine bestimmte Zeitdauer lang geschrieben hast. Das Programm gibt es für Windows und Mac: https://getcoldturkey.com/writer/

5.     Der Parallel Player

Drei oder vier Projekte gleichzeitig sind kein Problem für dich. Ganz im Gegenteil, du genießt es sogar. Du fängst eine Aufgabe an und mittendrin fällt dir ein, dass es da ja noch ein Projekt gab, um das du dich kümmern wollest, also machst du damit weiter. Das Problem: Irgendwann stapeln sich eine ganze Reihe von angefangenen Aufgaben, die eigentlich alle erledigt sein müssten, es aber nicht sind. Der Grund dafür ist vor allem, dass der Parallel Player Probleme damit hat, sich länger auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Lässt die Konzentration nach, widmet er sich lieber einer neuen Aufgabe.
Wenn du dich in dieser Beschreibung wiederfindest, solltest du drei Tipps beherzigen:

  • Erstens: Vergiss Multitasking. Trotz hartnäckiger Mythen, die dies behaupten, macht es uns nämlich nicht produktiver.
  • Zweitens: Erledige deine Aufgaben bewusst. Das heißt, wenn du arbeitest, solltest du nicht mit den Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe sein. Das ist eher kontraproduktiv.
  • Und drittens: Hole dir Input von anderen. Das können Kommilitonen oder Kollegen sein, mit denen du über dein aktuelles Projekt sprichst. So bekommst du Einblicke in andere Perspektiven und vielleicht den ein oder anderen hilfreichen Hinweis.

Unhold-Power? In fünf Schritten weg vom Prokrastinieren

Du weißt, wie du prokrastinierst und möchtest etwas an deinem Verhalten ändern, was über die Tipps gegen akutes Prokrastinieren hinausgeht? Mit den folgenden fünf Schritten gelingt es dir, dich dauerhaft vom Aufschieben zu verabschieden.

Schritt 1: Prokrastinieren verstehen

Um sie zu überwinden, musst du erstmal verstehen, wie Prokrastination überhaupt entsteht. Am Aufschieben, wie Prokrastinieren im Volksmund auch gerne genannt wird, ist vor allem ein Unhold beteiligt: der Prokrastibär. Er lebt in deinem Gehirn und steht für alle Gewohnheiten, die du in Verbindung mit Prokrastination erlernt hast. Und er möchte dich schützen: vor negativen Emotionen wie Langeweile, Versagensangst oder auch der Enttäuschung bei schlechten Noten. Deshalb schlägt er dir Ersatzhandlungen vor, die auf jeden Fall Erfolg haben, wie zum Beispiel die Wohnung aufräumen oder Videospiele spielen. Das ist typisch für den Prokrastibär. Er möchte lieber kurzfristige, schnelle Erfolge als langfristige Projekte, bei denen der Erfolg nicht hundertprozentig sicher ist.

Schritt 2: Die eigene Prokrastination einschätzen

Wenn du den Artikel bis zu diesem Punkt aufmerksam gelesen hast, kannst du sicher schon ganz gut einschätzen, welcher Prokrastinationstyp du bist. Um herauszufinden, wie sehr du schon betroffen bist, gibt es einen Test, den du hier findest: Zum Selbsttest für Prokrastination der Universität Münster.

Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass Menschen mit bestimmten Eigenschaften eher prokrastinieren. Als prokrastinationshemmend gilt zum Beispiel Gewissenhaftigkeit. Und die lässt sich trainieren. Auch Motivation und Ausdauer spielen eine wichtige Rolle: Je höher diese Werte, desto besser bist du vor Prokrastination geschützt.

Schritt 3: Wende Study Hacks an

In jeder Phase des Prokrastinationsprozesses lassen sich bestimmte Tricks anwenden, die dir dabei helfen können, die Prokrastination zu beenden. Um zunächst überhaupt mal mit dem Lernen anzufangen, gibt es den sogenannten Zeitrestringierungs-Hack. Hier geht es darum, dir feste Zeitfenster für das Lernen oder grundsätzlich das Erledigen einer Aufgabe festzulegen. Die Idee dahinter: Indem du mit kleinen Einheiten von vielleicht einer halben Stunde beginnst, stellt das Ganze für deinen Prokrastibär keine ganz so große Verhaltensumstellung dar. Hacks zu den anderen Phasen der Prokrastination findest du in diesem Video: Prokrastinieren – 5 einfache Schritte aus der Prokrastination.

Schritt 4: Ändere deine Gewohnheiten

Damit du alte Gewohnheiten ersetzen kannst, brauchst du natürlich neue. Schließlich möchtest du Prokrastination ja langfristig vermeiden. Dafür ist vor allem eines wichtig: Nachdem du mit dem Lernen begonnen und dabei mögliche Study Hacks angewendet hast, solltest du deinen Lernerfolg auswerten. Das heißt im Klartext: Schau dir an, was für dich funktioniert. Manche Hacks sagen dir vielleicht mehr zu als andere. Mit wieder anderen kommst du gar nicht klar. Genau das musst du bei der Evaluation deines Lernprozesses betrachten. Denn sobald du weißt, was für dich funktioniert, kannst du in deine neue Routine einsteigen. Weitere Infos zum Routine-Modell findest du in unserem E-Book zum Prokrastinieren.

Schritt 5: Hole dir Unterstützung

Mit Kommilitonen oder Freunden übers Prokrastinieren zu sprechen, kann wahnsinnig hilfreich sein. Immerhin ist Prokrastination an der Uni weit verbreitet, sicher haben also auch andere das gleiche Problem wie du. Durch einen solchen Austausch kannst du wertvolle Tipps gegen das Aufschieben erhalten, die vielleicht auch dir helfen können.

Weißt du schon, wie dein Prokrastibär tickt? Welchen Study Hack findest du am hilfreichsten? Wir freuen uns über deinen Kommentar!